Postenschieben im Kreistag hat begonnen

Redebeitrag aus der Kreistagssitzung, 29.09.2021 zum Tagesordnungspunkt „Nachtragshaushalt“ vom Kreistagsabgeordneten Albert Kauffeld:

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!

Dass sich die Zeiten im Kreistag verändert haben, hat nicht nur etwas mit der neuen Kreisspitze, dem neuen Landrat und der neuen ersten Kreisbeigeordneten zu tun, sondern ganz besonders damit, dass es jetzt eine Regierungskoalition gibt, die ganz entscheidend Einfluss auf die Arbeitsabläufe in diesem Kreistag nimmt.

Albert Kauffeld
Albert Kauffeld

Viele Entscheidungen um die in den vergangenen 10 Jahren, für die ich sprechen kann, in diesem Hause mehr oder weniger gerungen worden ist, werden jetzt an anderer Stelle festgeklopft, bevor sie im Kreistag mit der Koalitionsmehrheit abgesegnet werden.

Aus unserer Sicht schade, haben wir doch den Meinungsaustausch in diesem Hause mit den daraus resultierenden Ergebnissen im Großen und Ganzen als konstruktiv empfunden.

Nach unserem Verständnis, dem der Freien Wähler im Landkreis Kassel, und nur für diese Freien Wähler spreche ich, sollte es in einem Kreistag, der ein kommunales Selbstverwaltungsorgan ist, keine Koalitionen geben.

Wir meinen, Mehrheitsfindungen ohne feste Verbindungen gerade in Kommunalvertretungen, die näher an den Menschen sind, stärken unser demokratisches Staatswesen und beugt Politikverdrossenheit vor.

Übrigens hätte die SPD das, was sie jetzt gemacht hat, auch vor 10 Jahren schon haben können.

Damals, bei der Kommunalwahl 2011 hat sie die absolute Mehrheit verloren und wir Freie Wähler sind neu in den Kreistag eingezogen.

Die Grünen, vor 10 Jahren sogar noch stärker, haben sich auch damals angeboten.

Der Preis war der gleiche. – Gut bezahlte Posten!

Im Jahr 2011 und auch 5 Jahre später, hat die SPD solchen Angeboten widerstanden.

In der HNA wird aus der ersten Sitzung im Mai 2011 die Forderung der Grünen von dem SPD-Kreistagsmitglied Anette Milas als unerträglich und dreist abgelehnt. Und Größenwahn sei ein schlechter Begleiter.

Die SPD hat auf wechselnde Mehrheiten im Kreistag gesetzt.

Wie wir meinen, auch recht erfolgreich.

Die zwei Bedingungen für diese wechselnden Mehrheiten konnten wir 2011 und auch 2016 zusagen.

Nämlich, ernsthafte Bemühungen für die jährlichen Kreishaushalte eine Mehrheit zu finden und den Anspruch der stärksten Fraktion auf die hauptamtliche Vertretung des Landrats.

Wir wären auch dieses Jahr wieder bereit gewesen, solche Zusagen zu machen. Entsprechen sie doch unserem Demokratieverständnis.

Und bei der Wahl der ersten Kreisbeigeordneten in der letzten Kreistagssitzung haben wir das auch ohne eigene Forderungen wieder gezeigt.

Und wir sehen es auch nicht als Schwäche, keine, nach unserem Verständnis teilweise grotesken personellen Ansprüche gestellt zu haben.

Vielmehr sollten Alle die Möglichkeit haben, sich einzubringen und mitzuarbeiten.

Aber – es ist anders gekommen, was wir bedauern mögen, aber zu akzeptieren haben.

Die Grünen haben nun ihre Posten bekommen und für den Kreis wird es teuer. Zu spüren bereits jetzt durch die Ausweitung des Stellenplans in diesem Nachtragshaushalt!

Denn die Stelle eines weiteren hauptamtlichen Kreisbeigeordneten etc. muss neu geschaffen werden, obwohl die Arbeit bisher auch ohne diese Stelle erledigt wurde.

Aber es geht ja noch weiter.

Wie bedingungslos die SPD nun alles auf die Grüne Karte setzt zeigt das Beispiel bei der Besetzung der Kreistagsausschüsse, die von den Kreistagsfraktionen nach ihrer Stärke im Benennungsverfahren besetzt werden.

Dort wurde durch eigenen Verzicht, jeweils ein weiteres Fraktionsmitglied der Grünen  von der SPD benannt.  

Wie darf man das deuten? Eine Fraktionsgemeinschaft, oder nur Großzügigkeit unter neuen Freunden?

Wie man sehen kann, möglich ist alles. Selbst das, was man selber bisher nicht für möglich gehalten hat.

Diese Großzügigkeit stößt aber an Grenzen, wenn es um die Abgrenzung des neuen Bündnisses geht.

Denn als es um den Vorsitz im Wirtschaftsausschuss ging, für den ich, auf Vorschlag der CDU wieder kandidiert habe, hätte man ein Zeichen setzen können.

Mehr nicht!  Aber selbst dazu fehlte bei den Koalitionären die Bereitschaft.

Auch das passt zu dem neuen Umgangsstil.

Aber – wie heißt es doch so schön, wer weiß schon für was es gut ist.

Denn durch das kompromisslose Verhalten der Koalitionäre gegenüber den anderen Kreistagsfraktionen werden Trennungslinien aufgebaut.

Für uns heißt das, auch wir werden in uns gehen und unser bisheriges Verhalten neu überdenken.

Neue Gemeinsamkeiten werden von den ausgeschlossenen Kreistagsfraktionen gesucht werden müssen, wollen sie ihren Gestaltungswillen nicht aufgeben.

Die personelle Verstärkung unserer Fraktion wird außerdem zu mehr Meinungsvielfalt und Offenheit beitragen.

Unser Profil als Vertreter der Kreiskommunen, die den Landkreis finanzieren müssen, werden wir noch stärker als bisher, herausarbeiten. Nicht nur bei der Kreisumlage, sondern auch bei den stetig steigenden Personalausgaben der Landkreisverwaltung.

Auch bei der Entwicklung von Zukunftsperspektiven für unseren Landkreis wollen wir die Kreiskommunen und ihre Nachbarschaften in den Fokus stellen.

Mit der Entscheidung für eine Rot/Grüne Koalition im Kreistag wird klar, wohin die Reise geht. Teure Projekte, höhere Personalkosten und das Alles zu Lasten der Landkreiskommunen.

Denn die werden die Zeche zahlen müssen, wenn sich der Kreis wegen der Bündnisverpflichtungen neues Geld besorgen muss.

So hat nicht der Kreistag, sondern die Kreiskommunen die das fehlende Geld eintreiben müssen, den schwarzen Peter.

Wie das die SPD, die ja im Gegensatz zu den Grünen, in vielen Landkreiskommunen Verantwortung tragen, vor Ort erklären will?

Ihr Problem.

Wir Freie Wähler jedenfalls machen das nicht mit. Deshalb unser klares NEIN zu diesem Nachtragshaushalt!